Anca Benera & Arnold Estefán. Rehearsals for Peace

Anca Benera & Arnold Estefan Rehearsals for Peace

Eröffnung: Freitag, den 09.06.2023

Zeit: 19 Uhr CET

Ort: n.b.k | Neuer Berliner Kunstverein | Chausseestraße 128-129, 10115 Berlin

Ausstellungsdauer: 10. Juni – 6. August 2023

Das Rumänische Kulturinstitut "Titu Maiorescu" in Berlin unterstützt die Organisation der Ausstellung Anca Benera & Arnold Estefán. Rehearsals for Peace im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.), kuratiert von Diana Marincu und Krisztina Hunya.

Anca Benera und Arnold Estefán verfolgen eine forschungsorientierte und interdisziplinäre Praxis, die sich historischen, sozialen oder geopolitischen Erzählungen sowie den dahinterstehenden Strukturen widmet. In ihren aktuellen Projekten befassen sie sich mit ökologischen Themen, wie Extraktivismus, der Übernutzung natürlicher Ressourcen, und konzentrieren sich auf die Überschneidungen von Umweltbelangen und dem Militärwesen. Im Mittelpunkt von Rehearsals for Peace– ihrer ersten Einzelausstellung in Deutschland – steht die kritische Auseinandersetzung mit den Absurditäten von Kriegsführung. Thematisiert wird dabei insbesondere die paradoxe Dynamik zwischen militärischer Bereitschaft, simulierten Operationen und dem ersehnten Frieden.

Die peripheren Ostgebiete der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) in Europa, wie etwa das Staatsgebiet Rumäniens, nehmen eine geostrategisch zentrale Rolle bei der Einrichtung von Truppenübungsplätzen und Militärstützpunkten ein. Weite Flächen Osteuropas wurden spätestens seit der Krim-Annexion durch Russland 2014 (re-)militarisiert. Da diese Übungsplätze meist in Naturschutzgebieten eingerichtet werden – an Orten, die üblicherweise Abgeschiedenheit und Erholung verkörpern –, entstanden beispielsweise in den ländlichen Gebieten Siebenbürgens militärische Einrichtungen, die eine Bedrohung für lokale Ökosysteme und den symbiotischen Lebensstil von Hirt*innen und weidenden Tieren darstellen. Ausgehend von diesen Orten erforschen Benera und Estefán verschiedene Rituale zur Abwehr von konkreten wie fiktiven Feinden und hinterfragen die Diskrepanz zwischen der Ruhe der Naturlandschaft und der gewaltvollen Präsenz des Krieges: Wie überkreuzen sich ökologische und militärische Belange? Welche Rituale werden durchgeführt, um unmittelbare oder langfristige Bedrohungen abzuwehren? Und ist die Vision des Friedens lediglich eine radikale Utopie?

Das Video "Rehearsals for Peace(2023) – koproduziert vom n.b.k. Video-Forum – greift auf verschiedene volkstümliche Traditionen zur Abwehr von bösen Geistern zurück. Das Werk ist inspiriert vom siebenbürgischen Brauch des Urzelnlaufens, der auf einer lokalen Legende über eine tapfere Frau, Ursula, beruht, die die Osmanen verscheuchte, indem sie ein furchterregendes Kostüm trug und mit einer Hirtenpeitsche Lärm erzeugte. Diese scheinbar absurden Gesten symbolisieren die Kraft des gewaltlosen Widerstands und werden bis heute jedes Jahr Anfang Januar in siebenbürgischen Dörfern kollektiv praktiziert. Rehearsals for Peace wird erstmalig gezeigt, als Teil einer raumfüllenden Installation und zusammen mit Perpetual Harvest (2023), einer Serie geflochtener Strohskulpturen, die an ein altes Ernteritual erinnern, das den saisonalen Rhythmus des Weizenanbaus symbolisiert.

Rehearsals for Peace ist Teil des fortlaufenden Projekts Debrisphere. Landschaft als Erweiterung der militärischen Vorstellungskraft (seit 2019). Mit dem Begriff Debrisphere beschreiben die Künstler*innen die noch nicht benannte Schicht der Erdkruste, die von Territorien gebildet wird, die durch Konflikte und Kriege geformt werden. Mit ihren jüngsten Werken untersuchen Benera und Estefán u. a. jene neuen Formen von Landschaften, die als Ergebnis menschlichen Eingriffs entstehen – getarnte Schichten der Natur, die umgestaltet und manipuliert wurden, um militärischen Strategien zu dienen. 

Das Duo Anca Benera (*1977 in Constanta / Rumänien) und Arnold Estefán (*1978 in Târgu Secuiesc / Rumänien) arbeiten seit 2011 zusammen und leben und arbeiten zwischen Wien und Bukarest. Bevor sie als Duo arbeiteten, waren sie Teil des Kollektivs des ,,Centre for Visual Introspection" in Bukarest, wo sie eine Reihe von Workshops, öffentlichen Kunstprojekten und Publikationen kuratierten. Benera und Estefán arbeiten intermedial mit Installationen, Videos und Performances und nutzen dabei forschungsbasierte Methoden, um die unsichtbaren Muster hinter bestimmten historischen, sozialen und geopolitischen Erzählungen aufzudecken. Ihre Arbeit befasst sich unter anderem mit dem Begriff des Landes und der politischen und kulturellen Konstruktion von Territorien. Jüngste Projekte untersuchen das Phänomen der vom Menschen geschaffenen Landschaften und wie Landschaftsmarkierung (als eine Form der räumlichen Veränderung) mit zunehmender staatlicher Gewalt und Raubbau an Ressourcen einhergeht.

2022 wurden sie mit dem Birgit-Jürgenssen-Preis des Österreichischen Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport ausgezeichnet; 2023 sind sie SAVA Creative Fellows am Postsocialist Art Centre des University College London. Präsentationen ihres Werks waren zuletzt u. a. zu sehen Museum Tinguely, Basel (2023–2022); Whitechapel Gallery, London (2023–2022); Biennale Matter of Art, Prag (2022); Trafó Galéria, Budapest (Solo, 2021); Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich (2020); Mucem, Marseilles (2019); Frac des Pays de la Loire, Nantes (2018); Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (2017).

Diana Marincu ist Kuratorin und Kunstkritikerin und derzeit künstlerische Leiterin der ,,Art Encounters Foundation" in Timișoara. Sie war im Vorstand der ,,Paintbrush Factory" in Cluj (2014-2017) und leitete von 2012 bis 2017 das Ausstellungsprogramm der ,,Plan B Foundation" sowie das Bildungsprogramm "Learning & Unlearning". Ihre kuratorische Arbeit wird von Künstlern inspiriert, die sich mit Forschungsthemen wie narrativen Strategien der Bildkonstruktion, vielschichtigen Mensch-Natur-Kontakten, postnationalen Subjektivitäten und Machtbeziehungen in verschiedenen Kontexten beschäftigen, die auch in den institutionellen Rahmen des aktuellen Kunstsystems übersetzt werden.